21. August 2009

Federn, Glas und koloniale Mitbringsel III



...in San Samuele.

Ich habe die sehr alte Kirche
San Samuele, neben dem Palazzo Grassi, niemals offen gefunden. Sie ist nicht mehr in kirchlichem Betrieb und wird anscheinend auch sonst nicht genutzt.

Nun stellt im Rahmen der 'collateral events'
Marialuisa Tadei ihre interessanten und sehenswerten Glas-, Feder- und Stahlobjekte hier aus, sehr poetisch bis nervenzerrend (Holzbox, in der man über knirschende Glaskiesel geht...).


Und endlich kann ich die weitestgehend unbekannte dritte von insgesamt dreien "nicht von Hand gemachten" griechischen Madonnenikonen in Venedig bewundern. (Nummer 1: die Nikopeio in San Marco; Nummer 2: die Mesopanditissa in Santa Maria della Salute.)
Ihr Name ist Orthokostá (Παναγια Ορθοκωστα), in Venedig wird sie auch Ortocosta, Artokosti oder Artocosta genannt. Ursprung und Bedeutung des Namens scheinen nicht mehr belegbar zu sein.
Meist wird als ihre Herkunft pauschal die Peloponnes genannt bzw. die venezianische Bezeichnung Morea, manchmal Mystras, manchmal Nauplio. Tatsächlich stammt sie aus dem
Kloster Panagia Orthokosta (53 Fotos am Ende des griechischen Textes! Im Text geht es vor allem um die Geschichte des Klosters, seine Verbindungen zu den byzantinischen Kaiserdynastien, seinen Reichtum in Form von Klostergütern etc.. Dass das Kloster auch heute nicht arm ist, sieht man an den Fotos.) in Arkadien, genauer der Landschaft Kynouria in Tsakonien, in der Nähe von Agios Andreas nördlich Leonidio, gegründet im 10. Jahrhundert.

Abgesehen von jahrhundertelangen Wundertätigkeiten etc. hält die griechische orthodoxe Kirche die Ikone religionshistorisch für überaus wertvoll. Sie ist eine 'Vrefokratóussa', eine 'Babyhaltende' und hat eine komplette Silberverkleidung mit 44 kleinen Heiligenreliefs.

Sie wurde anlässlich eines osmanischen Einbruchs in die Gegend 1460 von den Klosterleuten ins venezianische Nauplio (Napoli di Romania) in Schutz und Sicherheit gebracht. 1540 musste Venedig auch Nauplio aufgeben, die Ikone wurde vor den Türken nach Venedig gerettet und der Kirche und dem Kloster SS. Rocco e Margarita, um die Ecke, anvertraut und dort auf einem eigenen Altar wohl auch weiterhin ordentlich verehrt.
Nach der Auflösung des Klosters wurde sie in S. Samuele bis heute geparkt und weggeschlossen. Ein Unding sowohl für Kunstinteressierte wie für griechisch-orthodoxe Gläubige, die nach Venedig kommen in der Hoffnung, u. a. diese Ikone mit eigenen Augen sehen zu können.

Leider gibt es kein Foto. In der Ausstellung und Kirche ist Fotografieren verboten und die Aufpasserin passte tatsächlich gut auf. Was mich im Zweifelsfall nicht gehindert hätte (da ich ohne Blitz fotografiere), aber man hat vor die Ikone auf dem rechten Seitenaltar ein fettes Schild NO PHOTO gestellt, damit war das Verbot dann technisch exekutiert.

Leider.


Wer sich für Ikonen speziell und geschlossene venezianische Kirchen überhaupt interessiert, darf diese Gelegenheit auf keinen Fall ungenutzt lassen.


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1 Kommentar:

aldebaran hat gesagt…

Ich kann mich der Autorin nur anschließen. Da kommt man nach Jahren in in Samuele rein, und dann bewacht eine Art "Zerberus" jeden, der eine Kamera trägt. 1 Aufnahme habe ich trotzdem hoch gemacht. Die Kirche ist schlicht, aber stimmungsvoll. Besonders der Chor hat mit gefallen. In der Austtellung selbst hat mich der "Lichtkanal" sehr beeindruckt.
viele Grüße
Aldebaran